Wie bereits mehrfach berichtet (Digitale Souveränität - gestalten Sie mit!, Weißbuch Digitale Plattformen in Arbeit), arbeitet die deutsche Bundesregierung an einer Strategie zu digitalen Plattformen. Das angekündigte Weißbuch ist im März 2017 erschienen. Die wichtigsten Ergebnisse bez. der Gewährleistung der digitalen Souveränität – dem zentralen Anliegen von in4com.de – sind im Folgenden zusammengefasst. Aber: die Zivilgesellschaft muss wachsam bleiben aufgrund einiger klarer Defizite des Weißbuchs. Außerdem ist durch die geheimen internationalen Verhandlungen von Freihandelsverträgen (allen voran TiSA - Trade in Services Agreement, wir berichteten dazu) mit starken negativen Einflüssen auf Privatheit und digitale Souveränität zu rechnen.
Das Weißbuch und digitale Souveränität
Der Vorschlag der EU-Kommission für eine E-Privacy-Verordnung wird im Weißbuch unterstützt, da er Kommunikationsdienste über digitale Plattformen in die Datenschutzregulierung einbezieht. Zur Sicherung einer modernen Datenökonomie soll Datensouveränität als Leitgedanke im Datenschutz etabliert werden: „Das Leitbild der Datensouveränität stellt die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen über die Nutzung ‚seiner‘ Daten in den Mittelpunkt...“. Natürlich muss ein „freier Datenfluss in Europa - der europäische Datenraum“ Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten. Die Bundesregierung plant, diese Positionen in den laufenden Konsultationsprozess zum Vorschlag „Building a European Data Economy“, begonnen am 2017-01-10 einzubringen. Allerdings scheinen vorhandene Vorschläge (z.B. im Rahmen von Industrie 4.0) weitgehend von industriellen Teilnehmern entwickelt worden zu sein – erfahrungsgemäß wird dabei auf die digitale Souveränität von Einzelnen wenig Rücksicht genommen. Diese Entwicklung werden wir bei in4com.de genau verfolgen.
Für die „gewollte europaweite Einführung der Datenschutz-Grundverordnung“ soll der souveräne Umgang von Einzelnen (e.g. Verbrauchern, Nutzern) mit ihren Daten durch praxistaugliche Lösungen unterstützt werden. Als wichtige Maßnahmen dazu werden genannt:
- Anonymisierung und Pseudonymisierung
- Datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Privacy by design and by default)
- Leitlinien und Standards
- Sichere Identifizierung
- AGB-Kontrolle als Ergänzung zum Datenschutz im B2C-Bereich
Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am netzpolitischen Diskurs soll durch Mittel aus dem Zukunftsinvestitionsfond Digitalisierung gezielt unterstützt werden, um so eine demokratische Digitalkultur zu etablieren. Allerdings ist aus Sicht von in4com.de noch völlig offen, wie eine demokratische Digitalkultur auszusehen hat. Freie Meinungsäußerung und Hassreden sind oft auch in der öffentlichen Diskussion nicht so klar zu trennen, allerdings ist ihre Autorschaft meist klar erkennbar.
Die vorgeschlagene Ordnungspolitik soll in fünf Handlungsfeldern vorangetrieben werden: Fairer Wettbewerb, Schaffung einer modernen Datenökonomie, flächendeckender Ausbau Digitaler Infrastrukturen, Sicherung einer demokratischen Digitalkultur sowie der Ausbau digitaler staatlicher Kompetenz und die Stärkung institutioneller Strukturen. Wichtig aus Sicht der digitalen Souveränität sind
- die Umsetzung der ab Mai 2018 anwendbaren europäischen Datenschutzgrundverordnung,
- Anreize zur Anonymisierung und Pseudonymisierung von Daten,
- Einführung von Transparenz- und Informationspflichten für digitale Plattformen.
Wir müssen wachsam bleiben!
Mit dem Weißbuch Digitale Plattformen ist in Deutschland (und Europa) eine gute Basis für die Durchsetzung grundsätzlicher digitaler Rechte gegeben. Allerdings ist zu bemerken, dass z.B. bei Anonymisierung und Pseudonymisierung nur von Anreizen gesprochen wird, anstatt klare Vorgaben bez. der Eigenschaften und des Einsatzes solcher Verfahren zu machen. Auch die Ausweitung der grundgesetzlichen Rechte auf die digitale Präsentation von Individuen ist nicht adressiert – eine Diskussion, wie sie z.B. in der Digitalcharta (https://digitalcharta.eu/) auf EU-Ebene gefordert und gefördert wird. Unklar ist auch die Anerkennung des wirtschaftlichen Wertes der Daten, die Individuen zur Verfügung stellen. So soll zwar über die Verwendung persönlicher Daten verständlich informiert werden. Aber wo bleibt die Forderung, den wirtschaftlichen Wert der Daten zu beziffern und entsprechende Gegenleistungen seitens der Unternehmen einforderbar zu machen? Und warum wird nicht die Möglichkeit eines individuellen Opt-out aus der Datennutzung festgeschrieben bei gleichzeitiger Nutzung eines Dienstes – leider gibt es nicht für alle digitalen Plattformen äquivalente Alternativen.
Außerdem ist zu betonen, dass die Auswirkungen des völkerrechtlich bindenden TiSA- (Trade in Services Agreement) Vertrags – sollte er unterschrieben werden – alle Regulierungsbestrebungen von digitalen Plattformen für ein geordnetes, sozial verträgliches digitales Zusammenleben zunichte machen können. Die Verhandlungsergebnisse sind geheim, allerdings lassen die zugänglichen Leaks das Schlimmste befürchten.
Wir alle müssen wachsam bleiben und unsere Rechte in der digitalen Welt verteidigen!