Unser digitales Alter Ego ist überall im Internet - also sollten wir uns darum kümmern. Das Konzept der digitalen Souveränität soll uns dabei helfen.

Jeder von uns hat ein digitales Alter Ego. Aber wer von uns weiß, wo dieses Alter Ego gespeichert ist? Noch viel interessanter: welche Eigenschaften hat unser Alter Ego? Oder wer benutzt Eigenschaften unseres Alter Ego? Und welche? Oder in welchem Zusammenhang? Digitale Souveränität, also die Kontrolle über unser Alter Ego in der digitalen Welt, könnte uns helfen, diese Fragen zu beantworten.

Viele Entscheidungen werden heute von Computern im Netz getroffen. Zum Beispiel, ob jemand kreditwürdig ist, wie hoch der Beitrag zur Lebensversicherung ist, oder ob jemand in ein Flugzeug steigen darf. Natürlich sind solche Entscheidungen notwendig und Computer sind inzwischen unabdingbar, um die Menge an Daten effizient bearbeiten zu können. Unter den Annahmen, dass

  • die Entscheidungen nur auf korrekten Daten basieren,
  • nur berechtigte Daten benutzt werden,
  • und die Datennutzung insgesamt zulässig ist,

sollte dies auch im Sinne der Betroffenen sein. Allerdings ist zu bezweifeln, dass diese Annahmen immer erfüllt sind. So ist zu fragen, ob z.B. Facebook-Nutzer automatisch einer Personalabteilung die Bilder der letzten Strandparty zugänglich machen wollen, wenn sie im Bekanntenkreis die Bilder sichtbar machen. Die Namen auf der EU-weiten Terrorliste (http://www.eu-info.de/sys/nachrichten/EU-Terrorliste.1069.html, abgerufen am 2016-01-07, 14:24 UTC) sind zwar nicht geheim – aber auch nach richterlichen Urteilen werden die Namen Betroffener nicht immer gelöscht. Gerade in den letzten Jahren wurden mehrere Fälle publik, in denen Persönlichkeitsrechte einzelner Personen verletzt wurden. Diese Fälle sind auch deshalb interessant, weil die angefochtenen Informationen indirekt erstellt wurden (z.B. durch die automatische Ergänzung von Suchbegriffen).

Die Beispiele zeigen aber auch, dass Gegenwehr möglich ist. Dazu gehören:

  • (Selbst)Bewusste und kompetente Nutzung der verfügbaren Werkzeuge, z.B. sozialer Netzwerke,
  • Einfordern entsprechender Gesetze, die eine effektive Kontrolle der Nutzung von persönlichen Daten zum Ziel haben
  • Die politischen Parteien fragen, wie sie sich zur digitalen Souveränität stellen,
  • Inanspruchnahme juristischer Hilfe, sei es über Rechtsschutz, über die Datenschutzbehörden oder über Verbraucherzentralen.

Natürlich gilt generell, dass der sparsame Umgang mit Daten (ein abgestripptes Alter Ego) der einfachste Weg ist, digitale Souveränität zu erreichen. Dem sind aber Grenzen gesetzt, insbesondere wenn man an den sich potenzierenden Einsatz von Sensoren (am Handgelenk, im Haus, im Auto, auf der Straße) denkt. Oder wenn man die Funktionen betrachtet, die Big Data heute schon nutzt und noch nutzen wird, um die ermittelten Daten zu einem übervollständigen Alter Ego zu verknüpfen. In seinem Essay “Big Data – der erfasste Mensch” erwartet Jannis Bruehl, dass die Erstellung eines vollen digitalen Alter Ego unvermeidbar ist (http://www.sueddeutsche.de/digital/big-data-digitalisierung-ist-weder-gut-noch-boese-1.2809689, kopiert am 2016-01-09, 10:30 UTC).